Studie zeigt: Hohe Wertschöpfungseffekte der Langzeitpflege (Presseaussendung, 12.10.2023)

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Pressemitteilung
12. Oktober 2023

Beitrag zu den Finanzausgleichsverhandlungen

Studie zeigt: Hohe Wertschöpfungseffekte der Langzeitpflege

In den laufenden Finanzausgleichsverhandlungen zwischen Bund und Ländern findet derzeit ein zähes Ringen um das Ausmaß und die Verteilung öffentlicher Investitionen statt, in dem inzwischen eine Grundsatzvereinbarung erzielt wurde. Ein großer Brocken dabei ist die Langzeitpflege. Obwohl die öffentlichen Aufwendungen in Österreich im europäischen Vergleich unterdurchschnittlich ausfallen, erhöhen sich auch bei uns aufgrund der demografischen Entwicklung die notwendigen öffentlichen Ausgaben in diesem Bereich enorm.

Der politische Diskurs fokussiert seit Jahren auf die damit verbundenen hohen Kosten und konzentriert sich auf Maßnahmen zur Begrenzung dieser Kostensteigerungen. Diese Presseaussendung von Diskurs. Das Wissenschaftsnetz weist darauf hin, dass dies, wie Berechnungen des WIFO zeigen, eine enge Sichtweise ist. Investitionen in die Langzeitpflege weisen nämlich aufgrund der hohen Arbeits- und Personalintensität des Sektors hohe Wertschöpfungseffekte und Rückflüsse in den Wirtschaftskreislauf, aber auch in die öffentlichen Budgets auf. Die Konsequenz, die sich daraus für den Finanzausgleich ergibt: Eine deutliche Erhöhung der Mittel für Länder und Gemeinden, die die steigenden realen Aufwendungen in diesem Bereich angemessen berücksichtigen, ist nicht nur eine sinnvoll und notwendige, sondern auch eine ökonomisch vertretbare Investition.

Eine rein kostenbasierte Betrachtung der öffentlichen Investitionen in die Langzeitpflege ist nach Ansicht der Autor:innen der Studie ökonomisch zu eng. Es gilt die ökonomischen Effekte zu berücksichtigen, die durch Beschäftigung, Steuern, Sozialversicherungsbeiträge sowie den Konsum der im Sektor Beschäftigten ausgelöst werden. Auf der Basis eines ökonometrischen Input-Output-Modells, das regionale Unterschiede berücksichtigt, schätzen die Autor:innen, dass jeder in die Langzeitpflege investierte Euro mit einer Wertschöpfung von 1,70 Euro einhergeht, wobei 70 Cent (d.h. 70% der investierten Mittel) in Form von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen in die öffentlichen Budgets zurückfließen. Der Sektor der Langzeitpflege weist daher einen vergleichsweise hohen Selbstfinanzierunggrad auf.

Konkret erzeugen die gesamten Ausgaben der Länder, Gemeinden und privaten Individuen für die stationäre Langzeitpflege im Ausmaß von 2,8 Mrd. Euro (2015) einen geschätzten Wertschöpfungseffekt von 4,8 Mrd. Euro, wovon 2 Mrd. in Form von Steuern und SV-Beiträgen in die Budgets zurückfließen. Bei der mobilen Langzeitpflege stehen Ausgaben von knapp 500 Mio. Euro Wertschöpfungseffekte von 1 Mrd. Euro und 420 Mio. Euro an Rückflüssen in öffentliche Budgets gegenüber. Rechnet man beide Bereiche zusammen kommt man auf Ausgaben von 3,4 Mrd. Euro, die Wertschöpfungseffekte von 5,9 Mrd. Euro erzeugen.

Die Modellberechnungen weisen aber auch auf einen weiteren interessanten Aspekt hin. Die Wertschöpfungs- und Beschäftigungseffekte in der Langzeitpflege erzeugen starke regionale Wertschöpfungsketten. Durch die hohe Personalintensität von Pflegearbeit und den vergleichsweise geringen Marktradius vieler Input-Dienstleistungen (Essen, Wäschereien, …) produziert der Sektor beträchtliche lokale wirtschaftliche Effekte. Insofern können, so die Studie, Dienstleistungen der Langzeitpflege einen wichtigen ökonomischen Faktor für schrumpfende Regionen mit einem hohen Anteil an älterer Bevölkerung darstellen, indem sie lokale Wertschöpfung und Beschäftigung generieren.

„Die Ergebnisse zeigen, dass die erzeugten regionalen und nationalen Wertschöpfungseffekte sowie die Rückflüsse in die öffentlichen Budgets angemessen berücksichtigt werden sollten bei der Diskussion um Pflegereformen oder bei den laufenden Finanzausgleichsverhandlungen. Der wachsende Wirtschaftszweig der Langzeitpflege wird aufgrund der demographischen Entwicklung zu einem immer wichtigeren Wirtschaftsfaktor“ resümiert Ulrike Famira-Mühlberger, eine der Studienautor:innen.

Methodisches zur Studie:

In der Studie wurden offizielle Daten zu Ausgaben für und Beschäftigung in der Langzeitpflege mit den Ausgabenstrukturen von drei großen überregionalen Anbietern im Sektor (Caritas, Diakonie und Volkshilfe) kombiniert und in ein ökonometrisches Input-output-Modell integriert, das regionale Verflechtungen berücksichtigt. Auf dieser Grundlage war es erstmals möglich, direkte, indirekte und abgeleitete ökonomische Effekte der Langzeitpflege auf Bruttowertschöpfung und Beschäftigung abzuschätzen. Zusätzlich wurden die durch diese ökonomischen Aktivitäten anfallenden Steuern und Sozialversicherungsbeiträge berechnet.

Referenzen:

Gerhard Streicher, Ulrike Famira-Mühlberger, Matthias Firgo: The Economic Impact of Long-term Care Services. Zeitschrift für Sozialreform, 2022, 68, (2), S.211-235, https://doi.org/10.1515/zsr-2022-0009.