Die österreichische Automobilindustrie nach Corona?

Downloads

Pressemitteilung
28. Mai 2020

Die Krise für einen nachhaltigen Umbau der Autoindustrie nützen.
Rufe nach Staatshilfen für die durch die Corona-Krise angeschlagene Autoindustrie werden in Österreich lauter. So forderten zuletzt die österreichischen Automobilimporteure, die steuerliche Begünstigung von Firmenautos auszuweiten und die Verschrottung älterer Fahrzeuge mit je 2.000 Euro zu fördern.

Forscher*innen des Instituts für Politikwissenschaft der Uni Wien und des Instituts für Soziale Ökologie der Universität für Bodenkultur untersuchen in einem vom Klima-und Energiefonds seit 2018 finanzierten und von Univ.-Prof. Dr. Ulrich Brand geleiteten Forschungsprojekt Möglichkeiten für einen sozial-ökologischen Umbau der österreichischen Autoindustrie. Sie sprechen sich vehement dagegen aus, die Branche mit bedingungslosen Finanzspritzen zu stützen. Die Wissenschafter*innen fordern, mit Steuergeld den Umstieg auf nachhaltige und nützliche Produkte voranzutreiben.

Autoproduktion ist kein Zukunftsmodell
Die Autoindustrie ist in Österreich ein wichtiger Faktor für Wirtschaft und Beschäftigung: 75.000 Menschen arbeiten hier. Gleichzeitig ist der Straßenverkehr für fast 30% der CO2-Emissionen verantwortlich. Der Fokus der Branche liegt auf der Verbrennungstechnologie. Dieser Bereich ist besonders klimaschädlich, aber auch hochprofitabel. Die meisten Unternehmen halten deshalb daran fest: „Man reitet das tote Pferd bis zum Ende“, so Projektmitarbeiter Dr. Heinz Högelsberger. Den Verbrennungsmotor durch einen Elektroantrieb zu ersetzten, wäre aus ökologischer Sicht aber keine Lösung. Der Antrieb sagt nichts über dieHerkunft des Stroms aus. Zudem emittieren Elektroautos in der Herstellung viel CO2. „Um Arbeitsplätze und das Klima effektiv zu schützen, müssen Investitionen rasch in umweltverträglichere Produktlinien fließen“, so Dr. Högelsberger weiter. Verlagerungen in die Bahntechnologie, die öffentliche Verkehrsinfrastruktur und die Elektrifizierung des Gewerbeverkehrs würden die notwendige Verkehrswende befördern. Aber auch Produkte außerhalb des Verkehrssektors sind denkbar, etwa in der erneuerbaren Energietechnologie oder –in Zeiten von Corona besonders naheliegend –der Medizintechnologie.

Die Krise als Chance begreifen
Die Coronakrise trifft die Autoindustrie in einem tiefen Wandel. Dieselbetrug und Klimakrise haben das Ansehen der Autohersteller erschüttert. Das autonome Fahren, der Trend weg vom Autobesitz hin zur Nutzung und Veränderungen beim Antrieb werden die Autoproduktion stark verändern. Besonders trifft es die Zulieferer, die das Bild der Branche in Österreich prägen. „Die Absatzeinbrüche als Folge der Covid-19-Krise wirken als Katalysator eines seit Jahren lodernden Schwelbrands“, so der Nachhaltigkeitsforscher Dr. Alexander Behr. Damit öffnet sich aber auch ein Möglichkeitsfenster für den Umbau. Zahlreiche Beispiele der letzten Wochen machen dies deutlich: Im April begannen General Motors und Ford in den USA mit der Produktion von Beatmungsgeräten. Einen ähnlichen Weg gehen Seat in Spanien und der bayrische Zulieferer Zettl. „Diese Beispiele legen nahe, dass ein rascher Umstieg auf alternative Produkte für die Autoindustrie technisch möglich ist“, so Dr. Behr weiter.

Der Umbau als politische Aufgabe
Damit es nicht bei flüchtigen Einzelerscheinungen bleibt, muss die Politik die Unternehmen stärker in die Pflicht nehmen. Bedingungslose Konjunkturprogrammesind der falsche Weg. „Finanzhilfen müssen an strenge Auflagen geknüpft werden, um das vorhandene Knowhow in nachhaltige Bereiche umzuleiten“, fordert Dr. Högelsberger. Konkreter: Verbindliche Investitionen in ökologisch verträgliche Produktlinien und entsprechende Sozial-und Qualifizierungsmaßnahmen in den Betrieben. Für eine effektivere Umsetzung sind in manchen Fällen auch staatliche (Teil-)Übernahmen denkbar. Wichtig ist, dass damit nicht einfach das „tote Pferd“ auf Kosten der Allgemeinheit „wiederbelebt“ wird.

Die Chance nicht verpassen!
Finanzspritzen für die Autoindustrie zementieren ein unökologisches Produktionsmuster ein. „Außerdem sind Förderungen von Neukäufen sehr fragwürdig, da damit auch der ökologische Rucksack der Produktion mitgekauft wird“, so Dr. Högelsberger. Das Pariser Klimaziel von 1,5° C würde durch solche strukturkonservativen Maßnahmen in weite Ferne katapultiert. „Bereits in der Finanzkrise ab 2008 hat die Politik durch solche rückwärtsgewandten Maßnahmen eine historische Chance vertan“, mahnt Dr. Behr. Die Bedingungen für einen Umbau stehen aber besser als damals: Fridays for Future hat im letzten Jahr Vielen die Drastik der Klimakrise vor Augen geführt. Diese Chance zu verpassen, wäre angesichts der wenigen Zeit, die noch bleibt, fatal.