Forscher*innen senden dringenden Appell an europäische Regierungen und EU-Institutionen zur Rettung von gefährdeten afghanischen Wissenschafter*innen und Studierenden (Pressemitteilung vom 26.08.2021)

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Pressemitteilung
26. August 2021

Forscher*innen senden dringenden Appell an europäische Regierungen und EU-Institutionen zur
Rettung von gefährdeten afghanischen Wissenschafter*innen und Studierenden Eine Vielzahl an Hochschulverbänden, Netzwerken und führenden Persönlichkeiten auf dem Gebiet des Schutzes von Wissenschaftler*innen haben diese Woche einen dringenden Appell an europäische Regierungen und EU-Institutionen gesandt, um auf die dramatische Lage der Universitätsangehörigen Afghanistans aufmerksam zu machen und die Evakuierung besonders gefährdeter Personen zu ermöglichen. Viele der unterzeichnenden Organisationen sind führend auf dem Gebiet der Unterstützung von Forscher*innen und gefährdeten Wissenschaftler*innen. Dazu gehören das Scholars at Risk Network (SAR), der Global Campus of Human Rights in Venedig, das PAUSEProgramm in Frankreich, die Philipp-Schwartz-Initiative der Alexander-von-Humboldt- Stiftung, der Council for At-Risk Academics und der Scholar Rescue Fund des IIE, die für diejenigen, die in ihren Heimatländern nicht sicher arbeiten können, befristete Stellen an
Hochschuleinrichtungen in aller Welt vermitteln.

„Hunderte Universitätsangehörige aus Afghanistan suchen in diesen Tagen und Stunden verzweifelt nach Wegen, um in Sicherheit zu gelangen“, so Manfred Nowak, Menschenrechtsexperte an der Universität Wien und der Universität für Angewandte Kunst sowie Generalsekretär des Global Campus of Human Rights. „Diese Wissenschaftlerinnen und Wissenschafter haben während der letzten zwanzig Jahre für ein demokratisches und zukunftsorientiertes Afghanistan gekämpft. Hunderte reisten nach Europa, um Ausbildungen zu machen, und kehrten in ihre Heimat zurück, wo
sie sich den Werten der freien Meinungsäußerung, der Religionsfreiheit und der Geschlechtergerechtigkeit verschrieben haben. Diese Menschen fürchten nun um Leib und Leben“, so der Politikwissenschaftler Alexander Behr.

Die Expertinnen und Experten fordern die europäischen Regierungen und EU-Institutionen auf, sofort zu handeln: Evakuierungsflüge müssen so lange wie möglich fortgesetzt werden, damit auch Wissenschaftler*innen, Studierende und zivilgesellschaftliche Akteur*innen aufgenommen werden können. „Die Flüge dürfen erst beendet werden, wenn
alle, die das Land verlassen wollen, in Sicherheit sind“ betont Manfred Nowak. Notwendig ist auch die Einrichtung eines speziellen Stipendienprogramms für gefährdete Wissenschaftler*innen und Studierende aus Afghanistan, insbesondere für Frauen, sowie für ethnische und religiöse Minderheiten. „Stipendien, Lehraufträge und Forschungsstellen
an europäischen Hochschuleinrichtungen müssen in dieser dramatischen Lage umgehend von der Europäischen Union finanziert werden. Auch Österreich muss sich beteiligen“, so Alexander Behr.

Im Rahmen des bereits 2015 gegründeten MORE-Programms der Österreichischen Universitätenkonferenz (UNIKO) könnten Wissenschafter*innen, Künstler*innen und Studierende aus Afghanistan in den österreichischen Wissenschaftsbetrieb integriert werden und in Zukunft einen Beitrag zur Forschungslandschaft leisten. „In den
vergangenen Jahren haben sich alle Universitäten an den Standorten Graz, Innsbruck, Klagenfurt, Leoben, Linz, Salzburg und Wien an MORE beteiligt“, so die Migrationsforscherin Judith Kohlenberger der WU Wien, die derzeit eine Studie über
Studierende mit Fluchthintergrund leitet. „Zahlreiche geflüchtete Wissenschafter*innen und Studierende konnten somit neue Lebensperspektiven finden. Vom Austausch in Form von Lehrveranstaltungen, Vorträgen, Forschungsprojekten und künstlerischen Performances profitierten die heimischen Hochschulen als Orte von Diversität und Internationalität.“ Auf
diese Erfahrungen könne man aufbauen.

Ein Teil der nun notwendigen Mittel könnte laut den Expert*innen aus den bestehenden Mitteln für die Afghanistan-Hilfe umgeschichtet werden – denn diese kann unter den derzeitigen Bedingungen ohnehin nicht ausgegeben werden. „Mit Sicherheit werden aber auch noch weitere Mittel erforderlich sein, um den dringendsten Bedarf zu decken“ so Manfred Nowak.

„Das Zeitfenster, in dem diese Schritte unternommen werden können, um Leben zu retten, schließt sich rasch. Auch die österreichische Regierung und österreichische Universitäten sind hier in der Pflicht“, so Alexander Behr abschließend.