Arbeitszeit, Erreichbarkeit und selbstbestimmtes Arbeiten im Home Office

Downloads

Pressemitteilung
Wien, 20. November 2020

Häufig wird angenommen, dass die Arbeit im Home Office in hohem Maße selbstbestimmt ist. Eine von der Universität Wien im Juli 2020 durchgeführte Untersuchung zeigt, dass dies nur teilweise zutrifft. Für viele ist es dagegen im Hinblick auf die Arbeitszeit, die Erreichbarkeit und die Überwachung der Arbeit nicht der Fall. Diese Menschen erleben vielmehr eine Entgrenzung der Arbeit. Aus den Ergebnissen der Studie können Schlussfolgerungen für die eine neue Regelung der Arbeit im Home Office gezogen werden.

In der Online-Umfrage des Instituts für Soziologie der Universität Wien wurde im Juli 2020 eine Stichprobe von knapp 500 Personen erhoben, die ab April 2020 im Home Office arbeiteten.  Von diesen arbeiteten etwas über 70% überwiegend, also vier oder fünf Tage pro Woche, von zu Hause aus. Im Juli waren noch 64% zumindest teilweise und ein Teil von diesen, nämlich insgesamt 45%, auch weiterhin vier oder mehr Tage im Home-Office.

Die Arbeitszeit im Home Office ist für die Mehrheit individuell gestaltbar. So ist zwar bei 53% der Befragten die Arbeitszeit oder die Kernarbeitszeit genau festgelegt, aber 83% konnten sich die Arbeitszeit dennoch selbst flexibel einteilen. Arbeitszeitprobleme bestehen im Hinblick auf die Entgrenzung der Arbeit, also ein Ausdehnen der Arbeit über klar festgelegte und begrenzte Arbeitszeiten und über klare Zuständigkeiten hinaus. So verteilt sich die Arbeit für 57% der Befragten „von früh bis spät“. Eine klare und verlässliche Trennung zwischen Arbeitszeit und Hausarbeits- und Familienzeit bzw.  Freizeit ist damit für einen großen Teil der Befragten im Home-Office nicht gegeben (siehe Diagramm 1). Die Daten zeigen auch, dass diese Entgrenzung nicht nur auf Führungskräfte zutrifft, aber auch nicht eindeutig der hohen Arbeitsmenge geschuldet ist.

 

Eine der Herausforderungen der Regulierung von Arbeit im Home Office betrifft die Erreichbarkeit für Kolleg*innen, Vorgesetzte, Mitarbeiter*innen oder Kund*innen. Nicht weniger als 40% der im Home Office Arbeitenden wurde von ihren Arbeitgeber*innen nicht klar kommuniziert, wann sie erreichbar sein sollen. Und 41% gaben an, dass sie auch außerhalb der vereinbarten Arbeitszeit bzw. üblichen Bürozeiten tatsächlich regelmäßig kontaktiert wurden. Ebenfalls 41% fühlen sich sogar verpflichtet, außerhalb der vereinbarten Arbeitszeit erreichbar zu sein (siehe Diagramm 2). Zu einem beträchtlichen Anteil ist also eine unternehmensgesteuerte Entgrenzung der Arbeitszeit festzustellen.

Auch bei der Frage der Kontrolle der Arbeit zeigen sich die Grenzen der Autonomie im Home Office. Zwar ist eine überwiegende Mehrheit von 81% mit Tätigkeiten befasst, bei denen das Arbeitsergebnis zählt und weniger die Zeit, die gearbeitet wird. Sogar 92% bestimmen selbst, auf welche Art und Weise sie ihre tagtägliche Arbeit erledigen. Jedoch trifft für 46% der Befragten voll oder eher zu, dass ihre Firma elektronisch prüfen kann, wann sie arbeiten. Nur 23% gaben an, dass das in ihrem Fall „gar nicht“ zutrifft, während 12% meinten, dass sie nicht wissen, ob eine solche Überwachung möglich ist.

Aus der Sicht der Befragten bedeutet Home Office also häufig nicht, dass man seine Arbeit ohne Kontrolle durch die Firma erledigt. Entsprechend meinen auch bei weitem nicht alle, dass ihnen der Umzug ins Home Office mehr Selbstbestimmung brachte. 36% geben an, dass sie durch Home Office nicht selbstbestimmter arbeiten (siehe Diagramm 3). Damit widersprechen diese Daten der generellen Annahme der selbstbestimmten Arbeit im Home Office.  

Die ergonomische Gestaltung des Arbeitsplatzes in der eigenen Wohnung ist ein zentrales Thema in der Debatte über Home Office. Dazu zeigt diese Umfrage, dass 63,2%, also beinahe zwei Drittel der Befragten von ihrem Arbeitgeber keine Informationen oder Beratung zur gesunden Gestaltung des Arbeitsplatzes zuhause bekamen, als sie beruflich ins Home Office übersiedeln mussten. Die Möglichkeit, von einem Techniker oder einer Technikerin der Firma bei der Einrichtung des Home Office unterstützt zu werden, gab es häufiger, nämlich für 53%. Dennoch blieb fast die Hälfte, also 47%, auch in technischen Fragen ohne Unterstützung. Von ihren Vorgesetzten fühlen sich die Arbeitenden im Home Office aber selten alleingelassen. So gaben mit 67% etwas über zwei Drittel an, dass sich die Vorgesetzten oder andere Stellen im Unternehmen dafür interessierten, wie sie im Home Office zurechtkommen (siehe Diagramm 4).

Insgesamt lässt sich aus diesen Ergebnissen ein Bedarf an Regulierung im Hinblick auf die Arbeitszeit, die Erreichbarkeit, die Überwachung und die Ergonomie des Arbeitsplatzes im Home Office ableiten.