Öffentliche Unterstützung der Flugindustrie muss an ökologische und soziale Kriterien gebunden sein

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Pressemitteilung
Wien, 10. April 2020

Wissenschaftler der Universität Wien fordern, sich bei der Unterstützung der Flugindustrie am 1,5 Grad-Ziel zu orientieren

Flugverkehr / Corona / Klimawandel / Emissionsreduktion

In der aktuellen Corona-Krise ruft die Luftfahrtindustrie nach Unterstützung mittels öffentlicher Gelder. Die Unternehmensleitungen von AustrianAirlines und ihrer Muttergesellschaft Lufthansa nennen 750 Millionen Euro an staatlicher Hilfe bis Herbst als dringend notwendig, um eine Insolvenz der AUA zu verhindern. Betroffen wären etwa 7.000 Beschäftigte.

Univ.-Prof. Dr. Ulrich Brand und Dr. Alexander Behr vom Institut fürPolitikwissenschaften der Universität Wien argumentieren, dass die aktuellen enormen wirtschaftlichen Probleme als klimapolitische Chance gesehen werden sollten. Laut Umweltbundesamt ist der Luftverkehr für 5 % -8 % der derzeitigen globalen Klimagasemissionen verantwortlich (1). Um die Strecke von Wien nach Innsbruck mit dem Flugzeug zurückzulegen, wird pro Person dreizehn Mal so viel CO2 ausgestoßen wie mit einer Zugfahrt. Der Anteil an CO2-Emissionen des Flugverkehrs wird laut Prognosen in den nächsten Jahren dramatisch zunehmen, falls nicht politisch gegengesteuert wird. „Viele Studien zeigen“, so Alexander Behr, „dass das Flugzeug vor allem das Transportmittel von relativ wenigen Menschen ist, die viel fliegen. Eine relative Minderheit treibt dadurch die Klimakrise überproportional voran.“

Die öffentliche Unterstützung der Luftfahrtindustrie sollte im Zuge der Corona-Krise daher an konkrete Bedingungen geknüpft werden. Etwaige öffentliche Unterstützung der Luftfahrtindustrie muss klar an die Ausrichtung am 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens von 2015 gekoppelt sein, zu dem sich auch Österreich verpflichtet hat.

Wichtig wäre es, so die beiden Nachhaltigkeitsforscher, die aktuelle Unterstützung politisch mitdem Verbot von Kurzstreckenflügen, der Einführung einer Kerosinsteuer und einer höheren Ticketabgabe zu flankieren. Das Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) hat für das Jahr 2016 errechnet, dass die weitgehende Steuerbefreiung des Flugverkehrs einer indirekten Subventionierung von etwa einer halben Milliarde Euro entspricht. Denkbar wäre weiters eine progressive Abgabe für Vielflieger. Bei Luftfahrtunternehmen wie Laudamotion, das zu Ryanair gehört, wären Rettungsgelder an eine deutliche Verbesserung der Einkommen und Arbeitsbedingungen zu knüpfen.

Brand, der aktuell ein vom österreichischen Klima-und Energiefonds gefördertes Forschungsprojekt zur Rolle der Beschäftigten und Gewerkschaften im sozial-ökologischen Umbau leitet, führt aus: „EinHilfspaket muss vor allem dazu dienen, das Einkommen der betroffenen Beschäftigten zu sichern. Das ist auch volkswirtschaftlich wichtig. Da selbst die Fluglinien nicht damit rechnen, dass sie das Vorkrisennivau an Flügen schon im nächsten Jahr wieder erreichen werden, müssten vielen Beschäftigten andere Arbeitsplätze angeboten und über Arbeitsstiftungen zugänglich gemacht werden. Aber mehr noch: Die Coronakrise bietet eine einmalige Chance zum gesellschaftlichen Umdenken. Wenn jetzt gut gehandelt wird und den Beschäftigten klimafreundliche Arbeitsplätze angeboten werden, können wir die notwendige Reduktion des Flugverkehrs erreichen. Bereits in der aktuellen Situation des Lockdown könnten Umschulungen starten.“Die österreichische Regierung sollte im Bereich der Mobilität einen gerechten Strukturwandel vorantreiben. Alexander Behr sagt: „Das wäre auch im Einklang mit dem europäischen Grünen Deal, den die neue Präsidentin der EU-Kommission Ursula von der Leyen letzten Dezember vorgeschlagen hatte. Demzufolge sollen die Treibhausgasemissionen des Verkehrssektors bis 2050 um 90 Prozent sinken. Dabei spielt der Flugverkehr mit europaweit knapp 15 Prozent der Emissionen eine zentrale Rolle.“
„Die Politik müsste in der aktuellen Krise“, so Ulrich Brand, „auch darüber nachdenken, ob der Staat eine Konversion der Luftfahrtunternehmen zu öffentlichen Transportdienstleistern anstößt.“ Hier wäre zu diskutieren, so der Professor am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien, ob etwa die AUA, bisher Teil von Lufthansa, von der öffentlichen Hand übernommen wird, denn dann gäbe es deutlich stärkere Lenkungsmöglichkeiten. Zumindest aber sollte der Staat bei den aktuell verhandelten Rettungsmaßnahmen künftig eine Sperrminorität erhalten, um gesellschaftlich und klimapolitisch erwünschte Entscheidungen auch über den Corona-Notstand hinaus durchsetzen zu können.

„Ziel muss ein klimafreundlicher Verkehrssektor sein und das gehe nur über eine drastische Reduktion des Flugverkehrs in Europa und weltweit“, so die beiden Wissenschaftler.