Dringende Forderung aus der Wissenschaft nach Aufbau eigener Covid-Arzneimittelproduktion in Ländern des Globalen Südens (Presseaussendung 29.11.2021)

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Pressemitteilung                                                                  Wien, 29.11.2021

Dringende Forderung aus der Wissenschaft nach Aufbau eigener Covid-Arzneimittelproduktion in Ländern des Globalen Südens

„Lasst den Globalen Süden seine eigene Covid-Arzneimittelproduktion aufbauen“, so das vielfach geäußerte Plädoyer; nur so könne die Pandemie zügig eingedämmt und die drastische Ungleichheit beim Zugang zu Impfstoffen behoben werden – dieser Forderung schließen sich nun auch Wissenschafter*innen an.

„Der ungleiche Zugang zu Impfungen zeigt die drastische Ungleichheit weltweit: Erst die Hälfte der Weltbevölkerung hat nach über 1,5 Jahren der Pandemie zumindest eine Impfdosis erhalten. In Ländern mit niedrigem Einkommen konnten erst gut 5 % der Bevölkerung geimpft werden. Diese Menschen werden wegen der hohen Preise, der Mangelproduktion und aufgrund von Hindernissen bei geistigem Eigentum unnötigerweise noch jahrelang auf Covid-Impfstoffe und Medikamente warten müssen. In Europa, wo Impfstoffe frei erhältlich sind, ist die Impfstoffskepsis das Hindernis“, so Prof.in Shalini Randeria[1], Senior Visiting Fellow Albert Hirschman Centre on Democracy Graduate Institute, Genf.

Um diese Missstände zu beheben, haben Indien und Südafrika bereits im Jahr 2020 einen zukunftsweisenden Vorschlag bei der Welthandelsorganisation, den sog. TRIPS-Waiver, eingebracht. Mit diesem Vorschlag würden alle relevanten geistigen Eigentumsrechte auf Covid-Impfstoffe, Medikamente und medizinische Ausrüstung für die Dauer der Pandemie ausgesetzt, die Produktion und die Verteilung der Arzneimittel und der Ausrüstung könnte rascher und günstiger bewerkstelligt werden. Das ist auch relevant für die Länder des Globalen Nordens, denn je länger die Pandemie dauert, desto größer ist die Gefahr, dass sich weitere Virusmutationen mit Resistenzen bilden. In einer globalen Pandemie brauchen wir mehr denn je Kooperation und Transparenz in der Forschung und Entwicklung von Arzneimitteln und keine Monopole, so viele Wissenschafter*innen. Eigentlich hätte die 12. Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation in dieser Woche über den Vorschlag von Indien und Südafrika entscheiden sollen. Die Konferenz wurde jedoch im Zusammenhang mit der Verbreitung der Omikron-Variante des SARS-CoV2-Virus auf unbestimmte Zeit verschoben. Bisher blockieren die Schweiz, Norwegen und die EU-Länder die nötige ¾ Mehrheit.

„Die mRNA-Impfstoffe, die auch in Ländern des Globalen Südens effizient und ressourcensparend hergestellt werden könnten, wurden nahezu ausschließlich mit öffentlichen Geldern und erst ‚auf den letzten Metern‘ mit privatem Kapital finanziert. Aufgrund dieser enormen öffentlichen Vorleistungen und in Anbetracht der unnötig lange andauernden Pandemie, ist es nun dringend notwendig, die geistigen Eigentumsrechte für Covid-Impfungen, Medikamente und medizinische Ausrüstung auszusetzen. Darüber hinaus brauchen wir grundlegende Reformen, um den Fehlentwicklungen am Pharmamarkt entgegenzutreten. Dazu gehören eine Flexibilisierung des Patentschutzes und der offene Zugang zu Arzneien, deren Erforschung und Entwicklung öffentlich finanziert wurde,” so Priv.-Doz.in Dr.in phil. Claudia Wild[2], Geschäftsführerin des Austrian Institute for Health Technology Assessment abschließend.

[1] Ausgewählte Publikationen: https://www.iwm.at/fellow/shalini-randeria

[2] Publikationen: https://aihta.at/uploads/tableTool/UllCmsPage/gallery/publikationsliste-wild-mai-2021-english.pdf