COP 27 in Ägypten: Für die Erreichung der 1,5 Grad-Grenze braucht es drastische Maßnahmen (Pressemitteilung, 03.11.2022)

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Pressemitteilung                                                    Wien, 3. November 2022

COP 27 in Ägypten: Für die Erreichung der 1,5 Grad-Grenze braucht es drastische Maßnahmen 

Am kommenden Montag, den 7. November beginnt die 27. UN-Klimakonferenz (COP 27) im ägyptischen Scharm el-Scheich – und für die internationale Klimapolitik steht viel auf dem Spiel. Um die 1,5-Grad-Grenze nicht zu überschreiten, braucht es laut der Politikwissenschafterin Alina Brad von der Uni Wien tiefgreifende Maßnahmen wie einen Förderungs- und Verbrennungsstopp fossiler Brennstoffe wie Kohle, Gas oder Erdöl. Auf solche dringend nötigen Beschlüsse, die zu einer raschen Emissionssenkungen beitragen würden, wartet man bisher vergebens.

Im Pariser Klimavertrag von 2015 wurde das Ziel festgeschrieben, den globalen durchschnittlichen Temperaturanstieg auf deutlich unter zwei Grad, möglichst auf 1,5 Grad, gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen. In den vergangenen Jahren wurde dieses globale Ziel in nationale Klimaziele übersetzt. „Obwohl viele Staaten hierbei scheinbar ehrgeizige Klimaziele verfolgen und Klimaneutralität anstreben – Österreich etwa bis 2040 – wird die 1,5-Grad-Grenze auf globaler Ebene, alle nationale Klimaziele zusammengenommen, noch immer klar überschritten“ kritisiert Alina Brad vom Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien. Bei der COP 27 wird es darauf ankommen, ob die sogenannte Emissionslücke durch die Nachjustierung nationaler Klimaziele verringert werden kann.

Ein weiteres zentrales Thema ist die schleppende Umsetzung von Anpassungsmaßnahmen an die Folgen der Klimakrise und die unzureichenden finanziellen Zusagen hierfür. Jene Länder, die bereits jetzt massiv von den Folgen der Klimakrise betroffen sind, fordern, dass die Anpassung an die Klimakrise als globale Herausforderung anerkannt und nicht allein als nationales oder regionales Problem betrachtet wird.

Förderung von fossilen Brennstoffen muss umgehend aufhören

Darüber hinaus wird es auch um das Thema „Loss and Damage“ gehen – also die Frage, inwieweit jene Länder, die historisch die Hauptverantwortung für den Klimawandel tragen, für die damit verbundenen Schäden haften und Entschädigung zahlen sollen. „Solche Initiativen wurden in der Vergangenheit immer wieder von den Industrieländern, insbesondere den USA, blockiert. Selbst bei der Klimafinanzierung, bei der die Industrieländer ab 2020 eigentlich 100 Milliarden US-Dollar jährlich zur Verfügung stellen sollen, bleiben die Zusagen bislang unzulänglich“, so Alina Brad.

Um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, wären aber noch weitaus größere Anstrengungen zur Dekarbonisierung der Weltwirtschaft erforderlich. So hat die Internationale Energiebehörde erklärt, dass ab diesem Jahr keine neuen fossilen Brennstoffe mehr gefördert werden dürften, wenn die Welt den Grenzwert von 1,5 Grad einhalten will. Gleichzeitig werden jedoch immer mehr Projekte zur Erschließung neuer Öl- und Gasfelder begonnen – und das nicht erst seit der aktuellen Energiekrise.

Energiekrise verlangsamt weltweiten Klimaschutz

Allein die großteils schon vor der Energiekrise geplanten Projekte führen zu CO2-Emissionen, die das verbleibende globale Emissionsbudget deutlich übersteigen“, so Brad.[1] „Notwendig ist stattdessen, den Lock-in fossiler Infrastruktur und Technologien, das heißt die Bindung gesellschaftlicher Investitionen und Ressourcen an den Ausbau fossiler Energieträger aufzubrechen“, so die Klimapolitikforscherin der Universität Wien. Doch angesichts der Energiekrise haben sich die Subventionen für fossile Energieträger weltweit verdoppelt. Das dürfte die ohnehin schleppenden Anstrengungen auf der Klimakonferenz erschweren, sich auf internationaler Ebene auf einen Ausstieg aus der Verbrennung fossiler Energieträger zu einigen.

Auch die zunehmenden geopolitischen Spannungen stellen die internationale Klimapolitik vor neue Herausforderungen. Länder neigen dazu, die Klimakrise durch eine engere Linse der nationalen Sicherheit zu betrachten. Die Energiehandelsbeziehungen, die aktuell grundlegend umgebaut werden und erheblich die Außen- und Sicherheitspolitik beeinflussen, sind ein Beispiel dafür. Zudem werden die mit der russischen Invasion in der Ukraine zunehmenden Auseinandersetzungen zwischen dem Westen einerseits und Russland und China andererseits die Verhandlungen in Scharm el-Scheich überschatten.

CO2-Entnahme: Klimarettung oder Bremse für Klimapolitik?

Auch angesichts dieser schwierigen Lage der internationalen Klimapolitik gehen viele Klimawissenschafter*innen davon aus, dass sich die 1,5-Grad-Grenze nicht mehr erreichen lässt und Kipp-Punkte im Klimasystem unweigerlich überschritten werden. Infolgedessen nimmt in der internationalen Klimadebatte die Diskussion um Methoden zur Entfernung von CO2 aus der Atmosphäre (sogenannte „Carbon Dioxid Removal Technologies“) an Fahrt auf. Damit gewinnt auch die Vision langfristiger negativer Nettoemissionen zunehmend an Bedeutung: Die Annahme ist, dass die globale Erhitzung nur noch dann langfristig auf 1,5-Grad begrenzt werden kann, wenn in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts auf globaler Ebene ein negativer CO2-Ausstoß erreicht wird. „Die Erwartung, dass solche Technologien zur Entfernung von CO2 künftig in großem Maßstab zur Verfügung stehen werden, lässt aktuelle Klimaschutzanstrengungen weniger dringend erscheinen. Klimaschutz droht dadurch verzögert oder sogar abgeschwächt zu werden“, kritisiert Alina Brad. Die Politikwissenschaftlerin untersucht aktuell in einem vom FWF geförderten Projekt, ob und wie sich solche Verzögerungsprozesse in der EU-Klimapolitik beobachten lassen. Ziel ist, auf diese Weise die Forschung zur CO2 Entnahmetechnologien zu erweitern und ein Beitrag dazu zu leisten, dass weitere Verzögerungen in der Klimapolitik verhindert werden.

[1]Kühne, Kjell et al (2022): Carbon Bombs – Mapping key fossil fuel projects, In: Energy Policy 166, URL https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0301421522001756, abgerufen am 02.11.2022