Ökonom*innen kritisieren EU-Mercosur-Abkommen (Pressemitteilung, 02.12.2025)
Expert*innen
Karin Fischer (JKU Linz)
Werner Raza (Österreichische Forschungsstiftung für Internationale Entwicklung)
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Alexander Behr
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Pressemitteilung
02. Dezember 2025
Minimale Wachstumsimpulse, hohe soziale und ökologische Kosten
Industrieverbände und liberale Ökonomen bewerben das EU-Mercosur-Abkommen als Wachstumsmotor. Kritische Ökonom:innen und Entwicklungsforscher:innen widersprechen dieser Erzählung und warnen vor falschen Wohlstandsversprechen. Das EU-Mercosur-Abkommen befeuere ein krisenanfälliges, exportgetriebenes Wirtschaftsmodell. Minimalen Wachstumsimpulsen stehen hohe soziale und ökologische Kosten gegenüber.
Wachstum statistisch insignifikant
Wirtschaftlich gesehen ist das Abkommen von nachrangiger Bedeutung. Die offiziellen EU-Prognosen sprechen in Summe von lediglich 0,05 Prozent Wachstum bis zum Jahr 2040. “Diese statistisch fast insignifikanten Effekte sind nicht überraschend, da das gesamte Handelsvolumen mit den Mercosur-Staaten bei nur zwei Prozent des europäischen Außenhandels liegt”, erklärt Werner Raza, wissenschaftlicher Leiter der Österreichischen Forschungsstiftung für Internationale Entwicklung, ÖFSE.
Für europäische Exporte gelten Übergangsfristen von bis zu 15 Jahren, für die Autoindustrie beginnt der Abbau von Zöllen erst nach 8 Jahren. Dadurch werden hier BIP-Effekte erst sehr spät eintreten. Die Nachteile für die EU-Landwirtschaft werden hingegen durch kürzere Übergangsfristen schneller wirksam. Studien auf Basis der EU-Folgenabschätzung gehen sogar davon aus, dass EU-weit bis zu 120.000 Jobs durch das Abkommen verloren gehen.
Im Widerspruch zu europäischen Klimazielen
Klar im Widerspruch steht das Mercosur-Abkommen zu den europäischen Klimazielen. Die EU-Folgeabschätzung und andere Studien belegen mehr Treibhausgasemissionen infolge steigender Transportemissionen und zunehmender Entwaldung für die Produktion von Rindfleisch, Soja und Ethanol. “Dieser Widerspruch wurde in den Nachverhandlungen nicht adressiert. Im Abkommen ist zwar jetzt vorgesehen, dass die Vertragsparteien das Pariser Klimaabkommen umsetzen müssen. Wie mit den durch das Mercosur Abkommen und anderen EU Freihandelsabkommen hervorgerufenen Emissionen umzugehen ist, bleibt aber offen“, erklärt Raza.
EU importiert Umweltzerstörung und exportiert Menschenrechtsverletzungen
“Die EU importiert mit dem Abkommen Umweltzerstörung und exportiert Menschenrechtsverletzungen”, kritisiert Karin Fischer, Leiterin des Arbeitsbereichs Globale Soziologie und Entwicklungsforschung an der Johannes Kepler Universität Linz. Die Abholzung für Monokulturen und Weideland verwandelt wichtige CO₂-Speicher in CO₂-Emittenten. Das Abkommen würde auch den Handel mit hochriskanten Agrargiften und industriellen Agrarprodukten weiter ankurbeln – ohne jegliche Umwelt- oder Pestizidauflagen. Das steht im Widerspruch zu den Biodiversitätszielen der EU. Die ökologischen und sozialen Kosten wie Vertreibungen, Landkonflikte und Gesundheitsrisiken tragen vor allem lokale Gemeinschaften.
Neue Allianzen durch Mercosur?
Befürworter:innen verweisen auf neue geopolitische Allianzen durch das Abkommen. Raza relativiert: “Der Mercosur besteht aus heterogenen Mitgliedern mit prononcierten politischen Divergenzen. Die Milei-Regierung in Argentinien ist stark an der Trump-Regierung ausgerichtet und Brasilien als BRICS Mitglied kaum als Allianz-Partner gegen China geeignet.” Beim Zugang zu kritischen Rohstoffen wiederum gebe es keinerlei Hinweise, dass die Mercosur-Länder den Export ohne Abkommen beschränken würden.
Regionale Wirtschaftskreisläufe sind bessere Antwort
Insgesamt forciert das Abkommen eine falsche Weichenstellung zugunsten klimaschädlicher Exportindustrien wie der europäischen Pestizid- und Autohersteller und der südamerikanischen Fleisch- und Agrarindustrie. Für Fischer und Raza ist diese handelspolitische Ausrichtung nicht zukunftsfähig. Angesichts der Klimakrise, des wiedererstarkten Protektionismus und der Krisenanfälligkeit globaler Lieferketten müsse eine nachhaltige Handelspolitik regionale Wirtschaftskreisläufe und die grüne Transformation unterstützen.
Karin Fischer leitet den Arbeitsbereich Globale Soziologie und Entwicklungsforschung am Institut für Soziologie sowie das Interdisciplinary Commodity Studies Lab (ICS Lab) an der JKU in Linz. Sie arbeitet zu globalen Warenketten mit einem Schwerpunkt auf Arbeitskonflikten und Umweltgefahren in globalen Warenketten.
Werner Raza ist Leiter der Österreichischen Forschungsstiftung für Internationale Entwicklung in Wien. Er arbeitet zu Handelspolitik, Entwicklungsökonomie und -politik.Ökonom am Wirtschaftsforschungsinstitut Österreich.

